Kritik zu Herzensbrecher
Liebst du schon oder willst du noch lieber selbst geliebt werden? In seinem neuen Film erzählt Xavier Dolan, das Wunderkind des Weltkinos, von einem Dreiecksverhältnis mit ungleichen Seiten
Sie bleiben alle namenlos, die jungen Frauen und Männer, die von unerfüllter Liebe und nicht erwiderten Gefühlen, von unbeantworteten E-Mails und nicht eingehaltenen Rendezvous erzählen. Ihre gleichermaßen lä cherlichen wie tragischen Geschichten sind wie die Teile eines Puzzles. Zusammengesetzt ergeben sie das Bild einer Generation von Narzissten und Stalkern und sind damit der perfekte Hintergrund für Xavier Dolans kühle Kinoballade von Francis und Marie, die sich beide in den gleichen Mann, den ebenso schö nen wie oberflächlichen Nicolas, verlieben und dabei doch nur ihren eigenen Projektionen und Sehnsüchten nachhängen.
Als sein Regiedebüt I Killed My Mother 2009 seine Premiere in Cannes hatte, war Xavier Dolan erst 20 Jahre alt. Das Drehbuch hatte er mit 17 geschrieben und dann zwei Jahre später verfilmt. Seither gilt der in Montreal geborene Filmemacher und Schauspieler als Wunderkind des Weltkinos. Er hat die Herzen des Publikums und der Kritik im Sturm erobert. Seine Selbstsicherheit, die einem auch aus jeder Einstellung und jedem Nouvelle-Vague-Zitat – und von denen gibt es mehr als genug in seinen beiden Filmen – entgegenströmt, hat zweifellos etwas Entwaffnendes. Aber sie zeugt eben auch von einer Selbstverliebtheit, die er allerdings gar nicht erst versucht zu kaschieren. Natürlich musste Dolan in seinem Erstling selbst den Teenager spielen, der behauptet, seine Mutter getötet zu haben. Der jugendliche Furor seines Hubert Minels, diese absolute Kompromisslosigkeit im Lieben wie im Hassen, brachte im Publikum wohl die richtigen Saiten zum Klingen. Seine so ostentativ zur Schau gestellte Jugendlichkeit und der mit ihr einhergehende Habitus, in dem sich Unschuld und Unverschämtheit zu einem für viele berauschenden Gemisch verbinden, reichten wohl schon, die Ziellosigkeit und das krampfhaft Forcierte zu überdecken, die für Dolans Erstlingsfilm eben auch charakteristisch sind.
Auch in Herzensbrecher spielt Xavier Dolan wieder eine der Hauptrollen. Aber er, auf den sich seit 2009 alle Augen der Filmwelt zu richten scheinen, ist nicht der anscheinend ohne jede größere Gefühlswallung durchs Leben schwebende Nicolas. Den spielt mit Niels Schneider ein schöner, aber seltsam blasser Narcissus. Dolan selbst ist stattdessen in die viel ergiebigere Rolle des unangepassten Francis geschlüpft, der sich genauso wie seine beste Freundin Marie (Monia Chokri) um jeden Preis von seinen Freunden und Bekannten absetzen will. Dass sich ausgerechnet diese beiden, die kein Paar sein können und es im Endeffekt doch sind, in Nicolas verlieben, hat etwas Ironisches. Und genau diese Ironie, die Dolan ganz gezielt einsetzt, verleiht seinem ansonsten viel zu selbstgefälligem Kunstkino-Pastiche, in dem sich Anklänge an Wong Kar-wais Filme mit Anspielungen auf François Truffauts Jules und Jim und Zitate aus Jean-Luc Godards Arbeiten der 60er Jahre zu einem »Best of« des Autorenfilms vermengen, ein gewisses Flair. Der erste, allerdings noch recht zaghafte Schritt über den Tellerrand des eigenen Narzissmus ist damit zumindest gemacht.
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