Kritik zu Golda – Israels eiserne Lady

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In diesem Kriegsdrama wird die legendäre israelische Staatschefin Golda Meir in der gefährlichsten Phase ihrer Amtszeit, dem Jom-Kippur-Krieg 1973, porträtiert

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»Wir haben mit unseren Nachbarn mal wieder Ärger.« Mit dieser ironischen Untertreibung beschreibt Golda Meir die bis jetzt größte existenzbedrohende Krise Israels. In den ersten Tagen des am 6.10. begonnenen Jom-Kippur-Krieges 1973 ruft die Ministerpräsidentin Golda Meir mitten in der Nacht US-Außenminister Henry Kissinger an, der ebenso gefasst reagiert. Was tun? In diesem Film wird die Chronologie des 19-tägigen Krieges aus der Sicht von Meir geschildert. Es ist ein minimalistischer Kriegsfilm ohne Kriegsbilder. Das Geschehen auf den Schlachtfeldern wird durch Funkmitschnitte und Lagebesprechungen vermittelt. Fast ein Kammerspiel, verteilen sich die Schauplätze zwischen Büroräumen und der Wohnung Meirs. Manchmal geht sie Luft schnappen auf dem Dach und schaut besorgt in den Himmel.

Golda Meir wurde bereits 1981 von Ingrid Bergman porträtiert. Nun ist mit Helen Mirren eine der derzeit größten Schauspielerinnen am Zug. Durch Maskenbildner fast unkenntlich gemacht, spielt sie die Premierministerin als eine erschöpfte alte Dame, der das Gehen schwerfällt. Sie hat zwei Gesichter: das öffentliche einer ikonisch unbeugsamen Staatschefin und einzigen Frau inmitten von Männerrunden, wobei ausgerechnet Kriegsheld Moshe Dayan einen Nervenzusammenbruch erleidet. Und das private einer zerbrechlichen Krebskranken, die sich nur ihrer langjährigen Vertrauten Lou Kaddar öffnet, heimlich Bestrahlungen im Krankenhaus absolviert und von Alpträumen gequält wird. Täglich notiert sie in ihrem Notizbuch die Zahl der Gefallenen. Und vielleicht wurde in einem Film noch nie so überzeugend die Wirkung von Nikotin als beruhigendem Nervengift demonstriert: Die Kettenraucherin qualmt sogar auf dem Krankenbett. 

Man würde diesen Film gern nur als ebenso lehrreiches wie packendes Historiendrama betrachten, in dem im Detail die Taktik in einem aussichtslos erscheinenden Zweifrontenkrieg beleuchtet wird. Die Syrer greifen auf den Golanhöhen an, die Ägypter überqueren den Suezkanal, beide Kriegsparteien bis an die Zähne durch die Sowjets aufgerüstet. Meir bringt in die Überlegungen der Militärs ihren weiblichen Instinkt ein, wenn sie die Psychologie ihrer Gegner einschätzt oder Kissinger zu mehr US-Hilfe überreden will. Ihr Jonglieren mit unzähligen Unbekannten erinnert an 3D-Schach.

Dann wiederum gewinnt der Film, in dem Meir 3000 gefallene Soldaten beklagt, eine furchtbare, unbeabsichtigte Brisanz durch die Analogien zur Gegenwart. Fast auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg wurden 1400 Israelis durch eindringende Terroristen bestialisch getötet, gefolgt von Israels Feldzug in Gaza. Damals wie heute wurden Geheimdienstwarnungen nicht ernst genommen, ist das Land eine Schachfigur im Spiel anderer Mächte: Iran, Russland, USA. Wo in den 70ern Flugzeugentführungen, Attentate und Ölkrise die Welt erschütterten, sind es heute weltweit antisemitische Demonstrationen und Attacken. Eine Frankfurter Preview dieses Films selbst wurde aus Angst vor Randale abgesagt.

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