Kritik zu El olivo – Der Olivenbaum
In ihrer zweiten Zusammenarbeit mit dem Ken-Loach-Drehbuchautor Paul Laverty erzählt die spanische Regisseurin Icíar Bollaín anhand einer Pflanze von dem, was schiefläuft im kapitalistischen Europa
Ein symbolisch reichlich aufgeladener Baum dient der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín sozusagen als Wurzel für den Plot ihres neuen Films »El olivo«. Der 2000 Jahre alte Olivenbaum wuchs einst auf dem Grundstück eines alten Bauern und steht damit für alles Gute und Edle in der Welt: Tradition, Familie, Fruchtbarkeit, die friedvolle Symbiose von Mensch und Natur. Doch die gierigen Nachfahren des alten Bauern verkauften den heiligen Familienschatz an skrupellose Geschäftsmänner und leiteten damit den Niedergang des Bauernhofs und seiner Bewohner ein: Der Großvater zerbricht am Verlust des Baumes, die Geschäfte gehen den Bach runter. Nur die Enkelin Alma, die als Kind unter dem Baum spielte, will nicht aufgeben. Als sich die Gesundheit ihres Opas verschlechtert, versucht sie, die ehrwürdige Pflanze mit allen Mitteln zurückzuholen. Mittlerweile steht der Olivenbaum allerdings im fernen Düsseldorf in der kühlen Lobby eines deutschen Energieunternehmens, das ihn sogar zum Logo erkoren hat. Wieder ist er also Symbol geworden, doch nun für alles Böse: Gier, Heuchelei, Kapitalismus.
Keine Sekunde lassen Bollaín und ihr Drehbuchautor Paul Laverty (der für Ken Loach seit »Carla's Song« zahlreiche Drehbücher geschrieben hat) uns als Publikum darüber im Unklaren, auf wessen Seite sie und damit auch wir hier stehen: Alle möglichen emotionalen Register des Kinos werden gezogen – milchige Rückblenden, herzergreifende Melodien –, um auch dem Letzten deutlich zu machen, dass Almas verzweifelte Mission unsere Unterstützung verdient. Wer sich von dieser simplen Prämisse begeistern lässt, den nimmt der Film mit auf einen bittersüßen Roadtrip ohne viele Überraschungen. Das ist Wohlfühlkino mit schönen Bildern, sympathischen Darstellern und dem Herz am rechten Fleck. Was will man mehr?
Der andere Teil des Publikums mag anmerken, man wolle beispielsweise ein wenig mehr Komplexität, Charakterzeichnung oder gar Spannung. Schon Bollaín und Lavertys Vorgängerfilm »Und dann der Regen« fühlte sich streckenweise stark nach politischem Lehrfilm für Oberstufenklassen an, »El olivo« eignet sich beinahe nicht einmal mehr dafür. Denn wo »Und dann der Regen« zumindest noch das moralische Dilemma seiner Hauptfigur nachvollzog und damit seinem Kernproblem – die Privatisierung der Wasserversorgung in Südamerika – gebührende Tiefe verlieh, verzichtet der neue Film auf solche lästigen Hindernisse. Die Filmemacher wollen ihren kitschigen Erzählbogen möglichst elegant durchlaufen und am Ende mit einem gekonnten Satz auf der Tränendrüse der Zuschauer landen.
Man fühlt sich wie der größte Zyniker, wenn man so an diesem von sich selbst beseelten Film herumkrittelt. Aber »El olivo« macht mit seiner Schwarzweißmalerei dem eigenen Anliegen eben keinen Gefallen, sondern liefert sich dem Vorwurf schmerzlicher Naivität aus. Nur wenn man Bollaíns Film ausschließlich als wohlmeinendes Ökomärchen für junge ZuschauerInnen begreift, vermag man seiner betulichen Vereinfachung vielleicht noch etwas Gutes abzugewinnen.
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