Kritik zu Die Vorsehung

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Mord aus Sehnsucht nach Milde: Anthony Hopkins und Colin Farrell müssen sich in Alfonso Poyarts Krimi als Männer mit seherischer Begabung gegenseitig lesen

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Die Leichen der Ermordeten sind artifiziell arrangiert. Surreale Stillleben, die Kunst eines irren Killers. Zwischen den Opfern besteht allerdings keine erkennbare Verbindung. Ratlos sucht Joe Merriwether, Veteran im Dienst des FBI, seinen alten Exkollegen John Clancy auf, der ihm früher bei der Aufklärung rätselhafter Fälle entscheidende Tipps gegeben hat. Der pensionierte Psychologe verfügt angeblich über seherische Fähigkeiten. Doch leider hat er sich nach seiner Pensionierung in ein Naturidyll zurückgezogen, wo er italienischen Opern lauscht. Mit Verbrechen will er nichts mehr zu tun haben.

Man muss als Zuschauer kein Hellseher sein, um sicher zu sein, dass der von ­Anthony Hopkins gespielte Seher sich dann doch in die Aufklärung der Mordserie einschaltet. Die Figur des Ermittlers mit dem zweiten Gesicht ist an David Cronenbergs »Dead Zone« angelehnt. Wie bei Johnny Smith, dem Protagonisten dieser Stephen-King-Adaption, ist auch Clancys Gabe Segen und Fluch zugleich. Und wie bei Cronenberg durchzucken Clancy die »Visionen« blitzartig und lassen seinen Blick in die Zukunft als schmerzhafte, unmittelbar körperliche Erfahrung erscheinen.

Passend zum Sujet dieses Mystery-Thrillers tischt der brasilianische Regisseur Alfonso Poyart, der sich durch seinen Low-Budget-Gangsterfilm »2 Coelhos« einen Namen machte, ein kalkuliertes filmisches Déjà-vu auf. Ähnlichkeiten mit Vorbildern wie »Sieben« oder »Das Schweigen der Lämmer« sind mehr oder weniger gewollt. Rasant geschnittene Montagesequenzen mit Zeitlupenaufnahmen, Bildern von fallenden Tropfen und sonstigen Versatzstücken lassen den Zuschauer an den außersinnlichen Wahrnehmungen des Psychodetektivs teilnehmen. Manchmal gelingt das durchaus ansehnlich. Wenn Clancy etwa »sieht«, wie die leblose Schöne in der Badewanne zu Tode kam, dann verschmelzen wie bei Ing­mar Bergman Rückblende und Gegenwart in einer simultanen Szene: Ein Hauch von Kunstkino.

Doch schell sind wir wieder in den Niederungen des Genres. Clancy trifft auf Colin Farrell, der einen verrückten Mörder mit einer wahnwitzigen »Mission« verkörpert: Indem er Menschen, die noch nichts von ihrer tödlichen Erkrankung ahnen, weitgehend schmerzfrei ins Jenseits befördert, leistet der selbst ernannte Serienkiller-Messias eine wahnwitzige Sterbehilfe. Der ethische Aspekt dieses Themas wirkt leider ebenso aufgesetzt wie die religiösen Assoziationen. Dennoch hat der Film seine Momente. Entdeckt man auf der Liste des Produzenten Beau Flynn das Meisterwerk »Der Exorzismus« von Emily Rose, dann ahnt man, was für ein Film »Die Vorsehung« vielleicht hätte werden können. Davon ist aber nicht viel zu sehen, denn dieser Mysterythriller läuft bald völlig aus dem Ruder. Mit Hopkins und Farrell treffen nämlich zwei Protagonisten mit derselben hellseherischen Gabe aufeinander. Entsprechend gipfelt der Showdown in einem diffusen Kampf der Magier, in dem nichts wirklich zwingend erscheint, weil man nicht genau weiß, wer wessen Zukunft voraussieht. Anything goes. Solide inszeniert, aber nicht wirklich originell.

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